Ein grosser Ameisenhaufen

USTER. Zum dritten Mal fand über das Wochenende das Ustermer Hinterhalt-Festival auf dem Gelände des ehemaligen Kinos Central statt. Ein Riesenprogramm musste abgearbeitet werden, und es war ein voller Erfolg. Jeden Tag kamen 500 bis 600 Kulturbegeisterte.
RENATO BAGATTINI (TEXT UND BILDER)
Die Balkanklänge sind nicht zu überhören, und die Stimmung im Publikum ist auf dem Höhepunkt. Die Band Sebass hat ihre Fans voll im Griff. Auch das Wetter zeigte sich am Sonntag wieder von der gnädigen Seite. Tags zuvor hatte Regen die Gäste meist unter das schützende Dach hinter dem Central-Gebäude verbannt. Dort gab es dann Grilladen, und davon machten viele Gebrauch. Das waren die ruhigen Momente am Hinterhalt-Festival.
Überall war Betrieb
Nach den Würsten hörte die Ruhe dann schon wieder auf. Denn auch die dritte Ausgabe des Hinterhalt-Festivals war so etwas wie ein für zweieinhalb Tage in Betrieb genommener Ameisenhaufen: Überall war Betrieb, lief irgendwo irgendetwas, liess sich das Publikum verzaubern, standen enttäuschte Besucherinnen und Besucher vor verschlossenen Türen. Etwa beim Konzert von Sina & Stucky, das bis auf den letzten Platz besetzt war. Die beiden Walliser Sängerinnen boten ein optisches wie gesangliches Kontrastprogramm.
Wenn es um Stimmung geht, macht den beiden so schnell keiner und keine was vor. Da wunderte es wohl niemanden, dass die Zuspätgekommenen, die draussen vor der Tür verzweifelt um Einlass baten, ihrem Ärger Luft verschaffen mussten. Aber so ist halt das Leben.
Mit Bekanntheiten aufgepeppt
Waren es in erster Linie die Gassenfeger à la Sina & Stucky, Zapzarap, Sebass oder Steff la Cheffe, die für das ganze emotionale Spektrum besorgt waren, ging es andernorts beschaulicher zu. Warum nicht in aller Ruhe eine Installation oder ein Kunstwerk bestaunen. Oder in einem Kunstprojekt von Street-Art-Gallery mitmachen? Oder in Ruhe Kunst anschauen gehen? Auch das gab es freilich. Dazu zählten etwa die Endlosprojektion von Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger oder die «getarnte » Arbeit von Köfer/Hess. Und was heisst schon, nur die grossen Namen würden ziehen? Mathias Kielholz hatte mit seinem Programm «Swiss Lovesongs » ein volles Haus im Central, und auch die Sonntagsmatinee mit «pre-art Soloists» hatte Full House.
Das nomadisierende Ereignis – die letzte Ausgabe fand auf dem Areal des alten Qbus statt – ist auch ein Who’s who der lokalen Kunstschaffenden, das mit der Zugkraft nationaler Bekanntheiten aufgepeppt wird. Die lokalen Grössen indessen zeigen, wo und wie man sich engagieren soll. So zeigten die Ustermer Sängerin Letizia Fiorenza und der Kulturbeauftragte der Stadt Uster, Christian Zwinggi, ihr literarisches Talent am «Icon Poet live».
Und während der Leiter der Musikschule Uster Greifensee, Ekkehard Sassenhausen, zusammen mit Musiker Peter A. Schmid im Duo für einen kontraststarken Start ins Festival sorgte, liess es Eos-Gitarrist David Sautter dabei bewenden, die Batches für drei Tage Spass und Kultur pur zu verkaufen.
Drei Tage gute Stimmung
Diese kulturellen Wanderungen auf fremden und eigenen Pfaden schliesslich erzeugen jene Mischung, die schon das erste Hinterhalt-Festival ausgezeichnet hat. Alles fühlt sich ein bisschen anarchisch an, alles ist immer im Fluss und lässt sich nicht wirklich kanalisieren. Das erzeugt auch eine Stimmung, bei der sich Publikum und Kunstschaffende gegenseitig motivieren. Das war gut zu spüren.
Eingegriffen wird nur dort, wo es nicht anders geht, wo es die Räumlichkeiten nötig machen und wo das Gesetz die imaginäre und unüberbrückbare Barriere ist. Für Lucas Niggli, einen der Veranstalter des Anlasses, ist es klar: Das Hinterhalt-Festival ist ein voller Erfolg und auch Lohn für die vielen Stunden freiwilliger Arbeit. Mit zehn Leuten ist dieses Grossereignis auf die Beine gestellt worden.
Und wie geht es weiter? Der «Neuen Zürcher Zeitung» war es immerhin ein kleiner Einspalter wert, auf das Ereignis hinzuweisen. Eine Gemeinheit irgendwie und der Sache so nicht wirklich gerecht werdend. Aber das «Hinterhalt» wird sich entwickeln – auch wenn die Veranstalter noch keine weitere Ausgabe angekündigt haben –, und es wird mehr und mehr auch über die Region hinaus beachtet werden. Allein die Qualität der Ereignisse lässt keine Zweifel darüber aufkommen. Zudem hat das Festival gezeigt: Wirkliche Kultur hat mit simpler Unterhaltung wenig zu tun. Die vereinigten Einzelmasken gewinnen an Stärke und Grösse und machen sich somit auch für diejenigen interessant, die sonst nur auf Quoten, sprich auf die Grösse des Publikums, zählen.